Im Schlaraffenland : Ein Roman unter feinen Leuten by Heinrich Mann

Im Schlaraffenland : Ein Roman unter feinen Leuten by Heinrich Mann

Autor:Heinrich Mann [Mann, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, RawEpub
Herausgeber: Kultur und Fortschritt
veröffentlicht: 1961-12-31T22:00:00+00:00


XI.

Die kleine Matzke

Der Preis mancher zur Ausstattung seines neuen Heims unerläßlichen Ankäufe stimmte Andreas nachdenklich. Adelheid sah es ungern, wenn er die an ihn adressierten Rechnungen erbrach. Sie nahm sie ihm weg und beglich alles. Aber wie lange sollte das dauern? Die gepreßten Maroquinmöbel, ohne die er sein Arbeitszimmer nicht zu denken vermochte, waren unbegreiflich teuer, und obwohl das geschnitzte und vergoldete Louisquinze-Bett zweitausend Mark kostete, mochte Adelheid nicht darauf verzichten. Wo würde er je diese Unsummen hernehmen? Das Börsenspiel sicherte ihm vorläufig ein behäbiges Auskommen, aber einem ausschweifenden Luxus vermochte diese gutbürgerliche Erwerbsquelle noch nicht zu genügen. Zuweilen träumte er heiß und sanguinisch von einem unerhörten Coup, einem Coup in Türkheimerscher Manier, ohne sich jedoch etwas Genaueres darunter vorzustellen. Seufzend nahm er die in sorgloseren Tagen vernachlässigte Lektüre der Börsenblätter wieder auf.

Dabei erregte es seine Verwunderung, wie geteilt die Ansichten über den Wert der Texas Bloody Gold Mounts waren. Das hartnäckige, wilde Reklamegeheul der dem deutsch-amerikanischen Bankhaus F. W. Schmeerbauch ergebenen »Kleinen Börse« ward lebhaft unterstützt durch die Anstrengungen von »Kabel« und »Abendzeitung«; der »Nachtkurier« jedoch verhielt sich vorsichtig abwartend. Dies schien unbegreiflich, da ja auch Türkheimer hinter dem Geschäft stecken sollte. Sein Leiborgan gab zu verstehen, daß die Ausbeute an Gold sich bisher auf eine einzige, inzwischen versiegte Ader beschränkt habe. Einen schon ausgegrabenen Schacht habe man verlassen müssen. Überdies sei die Umgebung der Gold Mounts ein stinkender Morast mit Fieberluft, ohne Trinkwasser, und für Europäer unbewohnbar. Seit kurzem war das Papier nur noch langsam gestiegen; an dem Tage, wo der »Nachtkurier« solche deutliche Sprache geführt hatte, trat eine Stockung ein. Andreas widmete diesem Umstände seine ernste Aufmerksamkeit, er beschloß, Adelheid kein Geld mehr zu Erwerbung von Gold Mounts anzuvertrauen.

Vierundzwanzig Stunden später aber veröffentlichte das Blatt Jekusers an hervorragender Stelle einen begeisterten Artikel des berühmten Forschungsreisenden Herrn von Birkenbusch-Fellenthien. Es hieß darin, die Gold Mounts glichen ebenso vielen Attrappen; man brauche sie gleichsam nur aufzuklappen, um sie von oben bis unten mit dem gelben Metall angefüllt zu finden. Das Auswaschen erspare man sich meistens, denn viele Goldstücke zeigten bereits die fertige Form von Münzen, wenn auch leider noch ungeprägten. Überdies sei die Gegend eine der gesundesten der bekannten Erde, von blühender Romantik und paradiesischer Fruchtbarkeit.

»Was soll man nun glauben?« fragte Andreas. »Ein so berühmter Gelehrter wird doch nicht lügen?«

»Hoffentlich nicht«, meinte Adelheid. »Soviel ist sicher, daß man sich um Gold Mounts heute rauft. Türkheimer war bisher zurückhaltend, heute aber engagiert er sich beträchtlich. Er hat es mir selbst gesagt.«

»Nun, dann –«

Er zögerte.

»Hier ist alles, was ich im Augenblick erübrigen kann.«

Und er blickte mit gelinder Wehmut den zweitausend Mark nach, die sie in ihren Pelzmuff schob: der Preis des Prunkbettes.

Er schlief unruhig und griff am nächsten Morgen mit einer ahnungsvollen Hast nach dem »Nachtkurier«. Da stand, fett gedruckt, ein Telegramm des Herrn von Birkenbusch-Fellenthien, mit der bündigen Erklärung, er sei nicht der Verfasser des Aufsatzes über die Gold Mounts. Er behalte sich weitere Schritte vor. In ihrem Nachwort zeigte sich die Redaktion empört über den frechen Fälscher, der die Schrift des berühmten Forschungsreisenden auf das raffinierteste nachgeahmt habe.



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